Glas
In seiner unglaublichen Formenvielfalt gehört der gläserne Christbaumbehang sicherlich zu den beliebtesten und bekanntesten Dekorationsformen der Weihnachtszeit. Obgleich er nicht nur in Lauscha hergestellt wurde, so gilt Lauscha als das Zentrum des gläsernen Christbaumschmucks.
Lauscha in Thüringen und die Dörfer der unmittelbaren Umgebung sind die Wiege der Glaskugeln. Dort wurde bereits seit 1597 die Glasbläserei ausgeübt und bereits um 1770 hat man größere Perlen aus Glas hergestellt. 1831/35 tauchen dort erstmals Nüsse und Früchte aus buntbemaltem Glas auf einer Spielwaren-Musterkarte von Johann Simon Lindner auf, die wohl schon als dauerhafter Ersatz für die natürlichen Christbaumdekorationen an Weihnachtsbäumen hingen. 1848 finden sich zum ersten Mal „6 Duzend Weihnachtskugeln“ in drei verschiedenen Größen im Auftragsbuch des Hüttenmeisters Gundelach und seit 1860 sind Kugeln in rot, blau, silber und gold dokumentiert, sowie die sog. Schacken. Im Jahr 1867 wurde in Lauscha die Gasanstalt gegründet, durch die eine effizientere Technik der Glasbläserei und somit die massenweise Herstellung von gläsernen Christbaumkugeln entstehen konnte. 1878 wurde der Christbaumschmuck von der Sonneberger Handels- und Gewerbekammer erstmals als eigene Kategorie geführt und als aufstrebender Produktionszweig bezeichnet. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die ersten Christbaumschmuckkataloge mit dem jeweilig aktuellen Sortiment heraus.
Die ersten mundgeblasenen Christbaumkugeln waren aus dickwandigem Glas, welches mit dem Fischsilber oder mit Blei ausgegossen und somit verspiegelt wurde. Mit Hilfe von Korken, durch die ein Bändchen gezogen war, oder verzierten Metall- oder Messingkappen wurden die noch sehr großen Öffnungen verschlossen. Diese frühen Kugeln sind noch sehr schwer. Erst ab 1867 konnten durch heißere und regulierbare Flammen auch dünnwandigere und somit leichtere Kugeln geblasen werden. Etwa von dieser Zeit an wurde auch das weniger gesundheitsschädliche Silbernitrat zur Verspiegelung verwendet.
Gläserne Christbaumkugeln wurden neben den Glashütten zu einem sehr hohen Prozentanteil in Thüringen in Heimarbeit hergestellt. Die Heimarbeit sicherte noch bis ins 20. Jahrhundert in vielen Familien das Überleben.
Mit sich verbessernden Möglichkeiten bei der Herstellung erhöhte sich nicht nur die Produktivität, sondern auch die Vielfalt ihrer Erscheinungsformen. So konnte die Kugel in eine Gips- oder Porzellanform geblasen werden um ihr eine geformte Gestalt zu geben. Eine andere Gestaltung erreichte man mittels eines Gipsstempels, mit dem der ausgeblasenen und nochmals erwärmten Kugel ein sogenannter Reflex eingedrückt werden konnte. Auch die klassischen Christbaumspitzen werden aus Glas frei Hand oder in Form geblasen gefertigt und zeigen über die Jahrzehnte hinweg ihre eigenen Entwicklungslinien, sind aber vom klassischen Christbaum nicht wegzudenken.
Auch die unterschiedlichen Verzierungstechniken ermöglichten immer neue Kugelsortimente: mit Gelatine- oder Anilinfarben auf der Außenseite bemalt, mit „Venezianischem Tau„, Glasstaub oder Glimmerteilchen bestreut oder mit einem Drahtgespinst umwunden, traten die Kugeln in immer neuem Erscheinungsbild im Weihnachtssortiment auf.
Feenhaar, auch Engelshaar genannt, ist ein weiteres Lauschaer Produkt aus Glas, das einst bürgerliche Christbäume zierte. Es ist eine hochglänzende, sehr dünn gezogene Glasfaser, die die Locken eines Weihnachtsengels darstellen soll. Man findet es aber auch an Glasweihnachtsmännern, bei Glasvögelchen oder als Wolke unter großen Engel-Christbaumspitzen.
Im Fahrwasser der allgemeinen Modeerscheinungen der verschiedenen Jahre entwickelten sich immer wieder neue gläserne Christbaumschmuckvariationen: so tauchen Anfang des 20. Jahrhunderts vermehrt Glastiere, vor allem Vögel mit Glasseidenschwänzen, im Lauschaer Sortiment auf. Ergänzt durch eine große Vielfalt an Gebrauchs- und Luxusgegenständen als Christbaumbehang, wie Autos, Vasen, Instrumente, usw.
Der Jugendstil prägte die Weihnachtszeit, indem die Christbäume dieser Zeit in silbernem und weißem Schmuck erstrahlten. Der erste Weltkrieg unterbrach die Thüringer Christbaumschmuck-Produktion zunächst, schuf aber gleichzeitig die Nachfrage nach neuen Motiven. In den 20er Jahren kam auch der sogenannte Künstlerschmuck mit seinem Farb- und Fadenglas besonders in Mode und die NS-Zeit prägte die Christbaumkugelproduktion durch spezielle Julkugel-Editionen.
Eine besondere Form des gläsernen Christbaumschmucks ist der Glasperlenbehang aus Gablonz (Jablonec) in Böhmen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dort hohlgeblasene Perlen vor der Lampe hergestellt und vornehmlich als Zierbesatz auf Gewand, Taschen oder Haarnetze aufgebracht. Es gab „Freihandperlen“ oder die in eine Model geblasenen „Formperlen“, sowie die in zusammenhängenden Reihen (bis zu 12 cm lang) geblasenen Perlen, die sog. Klautschen, und die hohlgeblasenen 2-4 cm langen Glasstifte und Glasringe. Aus übrig gebliebenen einzelnen Perlen, die auf Draht aufgezogen wurden, soll der erste Gablonzer Christbaumschmuck entstanden sein. Seine Produktion erfuhr um die Jahrhundertwende ihre Blütezeit, obgleich sie immer nur ein zusätzlicher Zweig zum Hauptbereich der Perlenproduktion blieb. Als bevorzugte Motive des vielfältigen Weihnachts-Sortiments sind dabei Fahrräder, Autos, Schiffe, Flugzeuge, Insekten, Sterne und Musikinstrumente zu nennen.