Räuchermännchen
Das Räuchern mit wohlriechenden und würzigen Substanzen ist für den Menschen seit alters her von großer Bedeutung. Es gehört zu den Ritualen vieler Kulte und Religionen und fand Eingang in viele weltliche Bräuche. Auch in der Weihnachtsgeschichte des Matthäus-Evangeliums gehört Weihrauch zu den wertvollen Gaben der drei Weisen, worin vermutlich die Verwendung des aromatischen Harzes insbesondere zur Weihnachtszeit begründet liegt. Erst ab 1830 sind Räucherkerzen im weihnachtlichen Brauchtum des Erzgebirges durch das „Heilig-Abend-Lied“ von Amalie von Elterlein belegbar: „Karl zünd e Raacher-Karzel a, doß nooch Weihnachten riecht, und stell´s när of dos Scherbel dort, dos unnern Ufen liegt“.
Räucherkerzen bestehen aus einem Gemisch aus gemahlener Holzkohle und Kartoffelstärke als Bindemittel. Der Duft kommt aus einer wiederum speziell gemischten Duftstoffbeigabe. Die Räucherkerzenherstellung, die bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Heimarbeit erfolgte, ist seit der Mitte des 18. Jahrhunderts im erzgebirgischen Crottendorf beheimatet. Die Figur eines Räuchermännchens taucht dagegen erstmals in Musterbüchern und Preislisten der erzgebirgischen Spielwaren-Verlagsgeschäfte um 1850 auf.
Ursache für das plötzliche Aufkommen der Räuchermänner war neben der Freude am würzigen Duft vor allem die Popularisierung des Rauchens im 19. Jahrhundert.
Wenngleich Gemälde des 17. Jahrhunderts belegen, dass Tabak schon früher nicht nur als Schnupftabak sondern auch als Pfeifentabak konsumiert wurde, so gehörte das Rauchen noch lange nicht zu den üblichen Genüssen des Alltags und wurde nur im privaten Bereich praktiziert. Erst seit dem 19. Jahrhundert wurde Rauchen in der Öffentlichkeit toleriert. Der Mann mit der Tabakspfeife im Mund wurde zu einer allgemeinen Erscheinung auf den Straßen und schnell zum beliebten Motiv bei figürlichen Darstellungen. Auch das Räuchermännchen wurde dadurch schnell sehr beliebt. Die „Wiege der Räuchermännchen“ steht im Erzgebirge, während spätere Zentren der Räuchermännchenherstellung im Erzgebirge sowie in Thüringen zu finden sind.
Zu den ersten namentlich bekannten Schöpfer der gedrechselten Räuchermännchen gehören Ferdinand Frohs aus dem erzgebirgischen Heidelberg bei Seiffen und sein Neffe Gotthelf Friedrich Haustein. Haustein machte sich 1858 selbstständig und begründete eine eigene Herstellertradition. Besondere Bedeutung erlangten dabei Louis Haustein und seine Frau Hulda (1857-1929), die unter dem Namen die „Räuchermännel-Hausteins“ bekannt wurden und einen unverwechselbaren Typ von Räuchermännchen prägten. Sie verwendeten zur Gestaltung der Arme, Hände, Ohren und der Füße eine Teigmasse, die frei geformt und angetragen wurde. Die gleiche Masse wurde für das Gesicht in eine Negativform gestrichen und dem gedrechselten Kopf aufgedrückt.
Eine andere Werkstatttradition für Räuchermännchen begründete die Familie Füchtner aus Seiffen, die aber insbesondere für ihre Nussknacker berühmt wurde.
Räuchermännchen bestehen aus zwei separaten Teilen, die aufeinander gesetzt werden. Sie werden aus vorwiegend hartem, kernfreiem Holz hergestellt, damit es durch die Wärmeentwicklung nicht reißt. Die Rohform des Oberkörpers mit Kopf wird aus einem Vierkantholz herausgedreht, danach wird der Bauch der Figur ausgehöhlt. In ihm glimmt später die Räucherkerze, die auf dem Unterteil des Räuchermännchens steht. Von der Bauchhöhle wird ein „Kanal“ als Abzugsschacht für den sich entwickelnden Rauch bis nach oben zu einer runden Mundöffnung geführt. Danach werden Beine, Arme und Sockel gedrechselt, auch Kopfbedeckung, Nase, Schuhe, die beigefügte Pfeife usw. werden separat angefertigt. Nach dem Zusammensetzen folgen der Schliff und die Grundierung und am Ende wird alles farbig gefasst.
Während im Westerzgebirge Räuchermännchen sehr individuell geschnitzt wurden und als Unikate auf den Markt gelangten, stellte man sie im östlichen Gebiet schon sehr zeitig in ihrer stilisierten, formvereinfachend gedrechselten Form her. Diese Räuchermännchen waren dadurch für eine größere Produktion in Manufakturen geeignet. Vorbilder für die ersten Räuchermännchen waren Personen des täglichen Erfahrungsbereiches, wie Bergmänner, Waldarbeiter, Vogelhändler, Briefträger, usw. Auch der „Rastelbinder„ gehörte zu den beliebteren Darstellungen. Dies resultiert daraus, dass im 18. und 19. Jahrhundert vor allem viele Slowaken als wandernde Handwerker, Händler oder Kesselflicker durch die europäischen Länder zogen und zum vertrauten Straßenbild gehörten. Dass der gemütvolle Türke im farbenprächtigen Gewand ein beliebtes Motiv bei den sonst eher volkstümlichen Räuchermännchen wurde, dürfte in der gedanklichen Verbindung zum türkischen Kaffee, Honig und Tabak liegen, deren Konsum vor allem im 19. Jahrhundert in den bürgerlichen Familien „á la mode“ war.